L Jüdische Unternehmer der Zwischenkriegszeit - Kaufhaus Hirsch
von Dorothee Ahlers
Gegenüber dem Kino und unterhalb des Oderturms befindet sich der Brunnenplatz - ein etwas öder Parkplatz zwischen Oderturm, Lennépassagen und weiteren Häuserzeilen. Wo sich heute nur eine Betonfläche erstreckt, befanden sich in der Zwischenkriegszeit jedoch mehrere Straßen. Zahlreiche Geschäfte und auch einige Kaufhäuser bildeten an dieser Stelle das geschäftige Zentrum der Stadt. Auch die jüdischen Bewohner beteiligen sich rege am wirtschaftlichen Leben Frankfurts. Das so genannte "Verzeichnis der nichtarischen Geschäfte und Inhaber von freien Berufen in Frankfurt (Oder)" von 1935 führt zahlreiche Berufsgruppen auf. Genannt werden sechs Ärzte, fünf Rechtsanwälte, zahlreiche Händler, drei Fabrikanten, 13 Konfektionsgeschäfte und einige Andere.
Die jüdische Bevölkerung hatte - wie überall im Deutschen Reich - im Laufe des 19. Jahrhunderts einen starken sozialen Aufstieg erlebt. Sie hatte sich an die deutsche Kultur assimiliert, gehörte größtenteils dem Bürgertum an und engagierte sich im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Die meisten waren Mitglieder der liberalen jüdischen Gemeinde oder hatten sich bereits vom Judentum entfremdet.
Ein sehr bekanntes Geschäft im Frankfurt der Zwischenkriegszeit war das Kaufhaus der jüdischen Familie Hirsch. Es befand sich in der früheren Regierungsstraße, die an der südlichen Seite des heutigen Brunnenplatzes verlief. Heute befinden sich an dieser Stelle die Einkaufspassagen des Oderturms.
Bereits ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet man in den Wohnbüchern von Frankfurt den Eintrag "Manufakturwaren M. Hirsch, Regierungsstraße". Ab 1891 betreibt Emil Hirsch, der Bruder des ersten Inhabers, zusammen mit seiner Frau Emma und seinen Söhnen Alfred und Bruno das Geschäft. Später wird auch sein Schwiegersohn Walter Bendit Mitinhaber.
In den 1920er Jahren ist das Kaufhaus Hirsch das größte Geschäft in Frankfurt, in dem vor allem Damen- und Herrenmode verkauft wird. Bald können die Geschäftsräume in der Regierungsstraße 2-3a auf drei Häuser ausgeweitet werden. Die Fassaden werden modernisiert und eine komplett verglaste Schaufensterreihe eingebaut. Für ihre 300-köpfige Belegschaft kauft die Familie Hirsch das Gut Mittelmühle bei Neuzelle, das als Ferienheim genutzt wird. Zur gleichen Zeit zieht die Familie in ein stattliches Wohnhaus in der Gubenerstraße 16 um, das fortan "Villa Hirsch" genannt wird.
Doch die Wirtschaftskrise geht auch am Kaufhaus Hirsch nicht spurlos vorbei. Verbunden mit dem Boykott jüdischer Geschäfte bringen die 30er Jahre dem Unternehmen empfindliche Umsatzrückgänge. Emil Hirsch weigert sich jedoch, sein Geschäft zu verkaufen, solange es noch möglich gewesen wäre. Ein Bericht des Bürgermeisters 1935 meldet schließlich die Firma M. Hirsch als "arisiert". Zunächst an die Gebrüder Hähnel verpachtet, wird das Kaufhaus nach der Reichspogromnacht 1938 zwangsverkauft. Emil Hirsch und Walter Bendit werden nach Sachsenhausen deportiert. Die Regierungsstraße und mit ihr das Kaufhaus Hirsch werden bei Kriegsende völlig zerstört.
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