H Jüdischer Friedhof
von Christine Körner
Zu einer jüdischen Gemeinde gehört nicht nur eine Synagoge, sondern auch ein jüdischer Friedhof. Hier können die Gläubigen entsprechend den Gesetzen des Judentums ihre letzte Ruhe finden. Der einstige jüdische Friedhof der Stadt Frankfurt (Oder) befindet sich heute in Słubice an der Gabelung der Straßen nach Reppen, bzw. Rzepin und Crossen bzw. Krosno Odrzańskie. Er wurde 1399 erstmalig urkundlich erwähnt.
Bereits vor der Gründung der Stadt Frankfurt an der Oder siedeln sich Juden in dieser Gegend an, die aus Westeuropa vertrieben wurden. Es ist auch bekannt, dass sie ihre Toten auf dem Grundstück der Kaufmannsfamilie Hokemann östlich der Oder bestatten. 1399 geht das Gelände in den Besitz der Stadt Frankfurt über, die hier das jüdische Begräbnisrecht erneuert. Demnach stellt der jüdische Friedhof im heutigen Słubice einen der ältesten jüdischen Begräbnissorte Mitteleuropas dar.
Wenn man der Straße nach Krosno Odrzałskie folgt, sieht man zu seiner Linken den eingezäunten Friedhof. Hinter dem Zaun kann man drei Steine erkennen. Hierbei handelt es sich um erneuerte Grabsteine zum Gedenken der an dieser Stelle beerdigten Rabbiner Sacharja Mendel von Podheiz, Joseph Meir Theomim und Jehuda Leib Margaliot.
Joseph Meir Theomim ist der wohl bekannteste von ihnen, er lebte von 1727 bis 1792. Seine Werke, darunter "Pri Megadim", kommentierten die jüdischen Speisegesetze und sind bis heute wesentlicher Bestandteil der Rabbinerausbildung. An seinem Todestag 10. Ijjar - das ist nach dem christlichen Kalender im April/Mai - pilgern viele Gläubige zum Friedhof, um seiner zu gedenken.
Der ganz links aufgestellte Stein erinnert an den Frankfurter Rabbiner Sacharja Mendel von Podheiz, der rechte Stein an den Rabbiner Jehuda Leib Margaliot. Er verfasste weit verbreitete Bücher zu Themen wie Biologie, Grammatik und vor allem zum Thora-Studium.
In der jüdischen Friedhofskultur gilt ein Friedhof als unantastbar und darf weder verändert noch aufgehoben werden, deswegen wurde der Friedhof den sie hier vor sich sehen zwei Mal erweitert. Der erste und älteste Abschnitt umfasst das Gelände links von den drei Gedenksteinen und wird bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Er liegt auf einem Höhenzug von 35 bis 40 Metern, dem "Judenberge", dessen Name sich von diesem Friedhof ableitet. Der zweite Abschnitt, mittig gelegen, ist dann bis 1940 in Betrieb. Danach nutzt man den neuen dritten Abschnitt, also den Bereich rechts oberhalb von den Gedenksteinen, hier finden jedoch nur noch wenige Beerdigungen statt. Aufgrund der schrecklichen Zeiten erfolgen diese sogar zum Teil ohne Grabsteine. Die letzte offizielle jüdische Beerdigung findet hier noch 1944 statt.
Der erste Abschnitt war von einer niedrigen, ca. 60cm hohen Feldsteinmauer umgeben und ist relativ klein, vor allem in Hinblick auf die lange Nutzungszeit. Dies hängt mit den historischen Judenvertreibungen aus der Stadt zusammen, durch die der Friedhof immer wieder ungenutzt blieb. Die Friedhofsmauer des zweiten Abschnitts bestand aus gelben Klinkersteinen und war deutlich höher als die des ersten Abschnitts, nämlich 2 Meter bis 2,50 m. Dies ist ein bemerkenswerter Unterschied im Vergleich zur alten Mauer und deutet auf eine Liberalisierung der Synagogengemeinde hin. So muss der Friedhof nach dem jüdischen Reinheitsgebot eigentlich von außen einsehbar sein.
Auch in der Grabgestaltung war eine Annäherung an die christliche Friedhofskultur zu erkennen. Der "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" stiftete für die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten ein Ehrenmal auf dem jüdischen Friedhof. Dies zeugt besonders von der Assimilation der Juden in die deutsche Gesellschaft, auch wenn die Einweihungsfeierlichkeiten 1937 unter den Augen der Geheimen Staatspolizei erfolgten.
In der Pogromnacht im November 1938 können aus der beschädigten Frankfurter Synagoge Gebetsbücher, Fahnen und Thorarollen gerettet werden. Der christliche Friedhofsgärtner Otto Billerbeck begräbt sie nach jüdischem Brauch auf dem Friedhof. Otto Billerbeck hatte seit 1919 die Leitung des jüdischen Friedhofs inne, ebenso wie zuvor sein Vater und Großvater. Nachdem er 1941 auf staatlichen Druck entlassen wurde, kümmert er sich trotz des Verbots weiterhin um den Begräbnisort. Er lebt in einem direkt am Friedhof gelegenen Haus, hier an der Landstraße nach Krosno Odrzałskie. Heute kann man rechts von den drei Gedenksteinen sogar noch die Fundamente des Hauses, die man nun gemeinsam mit dem Friedhof eingezäunt hat, erkennen. Die Bäume markieren die einstige Zufahrt zum Haus.
1941 werden auf dem Friedhof über 100 jüdische Opfer aus dem Arbeitslager Finkenheerd in einem Massengrab beigesetzt. Nach Kriegsende, von Mai bis September 1945, werden dort deutsche Soldaten und Volkssturmleute begraben. Keiner von ihnen erhält einen Grab- oder Gedenkstein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geht das Gebiet östlich der Oder, und damit auch der jüdische Friedhof, an den polnischen Staat über. Aus der Frankfurter Dammvorstadt wird Słubice. Die unzerstörte Friedhofsanlage verfällt bis Mitte der 1970er Jahre und wird dann, wie viele andere Begräbnisstätten aus deutscher Zeit, vollständig zerstört. 1975 beginnt man mit dem Bau eines Gasthofes auf dem Friedhofsgelände, den man im polnischen Volksmund "Restauracja pod trupkiem", übersetzt "Gasthaus zur Leiche" nennt. Nach der politischen Wende eröffnet hier der neue Besitzer einen Nachtclub. Jüdische Geistliche sind schockiert. Die Fundamentreste des Gebäudes sind noch heute oberhalb der drei Gedenksteine gut erkennbar.
Eckard Reiß, Mitglied des Historischen Vereins zu Frankfurt (Oder) e.V. berichtet weiter:
Mit der politischen Wende in Polen wurde das gesamte Gelände verkauft und privatisiert und nach dem politischen Skandal, in den USA wurde der Nachtclub geschlossen und die Stadtverwaltung Słubice kaufte im Auftrag des polnischen Staates das Gelände von den Privateigentümern zurück, mit einer sehr stattlichen Summe. Dann im Anschluss erfolgte die Rückübertragung an die jüdische Gemeinde in Stettin als ersten Eigentumsverwalter.
Heute befindet sich die Anlage in der Verwaltung der Warschauer jüdischen Gemeinde und deren Stiftung zum Schutz des jüdischen Erbes (Fundacja Ochrony Dziedzictwa Żydowskiego). Die Finanzierung der bisherigen Arbeiten auf dem Friedhof ist vor allem der Kastenbaumstiftung zu verdanken. Eckard Reiß fügt hinzu:
Das ist eine amerikanische Stiftung die weltweit bei den Juden unter anderen auch für diesen Friedhof Geld sammelt um die noch durchzuführenden Arbeiten bezahlen zu können. Und da weist auch an den Grabsteinen der drei Rabbinen an der Betonwand eine entsprechende Dankestafel hin.
Die neuen Steine wurden im Mai 2004 offiziell eingeweiht. Nach der unwiederbringlichen Zerstörung der kulturhistorischen Kostbarkeit dieses uralten Friedhofes und fortgesetzten Schändungen hat man sich entschlossen, ihn für die Öffentlichkeit zu sperren. Man hat einen festen Zaun um den Friedhof gezogen, damit die Toten Ruhe finden.
Wenn man sich auf die gegenüberliegende Straßenseite begibt, kann man von dort aus eine weiße Mauer erkennen, die sich hinter den Grabsteinen befindet. Die verschüttete und durch die Bauarbeiten der 1970er Jahre abgetragene Friedhofserde mit den Gebeinen wurde dorthin zurück gebettet und eine Gemeinschaftsgrabstelle eingerichtet.
Entlang der Straße nach Rzepin sind von außerhalb des Friedhofs einige in den letzten Jahren wieder aufgerichtete Grabsteine des ältesten Beerdigungsabschnitts zu erkennen.
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