D Heutige jüdische Gemeinde
von Piotr Franz
Die jüdische Gemeinde in Frankfurt (Oder) hat eine lange Geschichte. Der Anteil jüdischer Einwohner war über die Jahrhunderte relativ hoch und ihre Rolle als Mittler zwischen Ost und West bedeutend. Das politische Klima der Stadt war zeitweilig äußerst liberal, so verwundert es nicht, dass die jüdische Gemeinde Frankfurts die zweitgrößte Brandenburgs war.
Seit 1933 jedoch wanderten die meisten der 800 Juden aus Frankfurt aus. Jene die es nicht mehr rechtzeitig schafften, wurden verfolgt, verschleppt und ermordet. Die Tyrannei der Nationalsozialisten löschte unwiederbringlich das aus, was Frankfurt zur wohlhabenden, liberalen und toleranten Messestadt werden ließ.
Zu DDR-Zeiten existierte keine jüdische Gemeinde in der Stadt. Erst 1998 siedelten sich die ersten aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Juden wieder in Frankfurt/Oder an.
Seit 1990 wandern jährlich bis zu 19.000 Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland ein. Dabei stellen sich besondere Probleme der Integration: Viele der Einwanderer sind älter und sprechen außer Russisch keine weitere Sprache. Dennoch sieht es die deutsche Regierung als ihre historische Pflicht an, die Versorgung und den Unterhalt der Juden in Deutschland zu garantieren. Im Jahr 2010 beherbergt die Bundesrepublik bereits die drittgrößte jüdische Gemeinde Europas.
In Frankfurt ergeben sich einige grundlegende Schwierigkeiten: Die meisten Gemeindemitglieder waren in der Zeit des kommunistischen Atheismus vom Glauben abgefallen, oder haben sogar nie einen Bezug zum Judentum gehabt. Sie können sich mit dem Judentum kaum noch identifizieren, deswegen ist es auch schwer, jüdisches Leben in Frankfurt/Oder aufzuspüren. Es fehlt an den drei wichtigsten Elemente einer jüdischen Gemeinde: Synagoge, Rabbiner und rituelles Bad, die Mikwe. Das wichtigste an einer funktionierenden Gemeinde aber sind gläubige, aktive Mitglieder.
Es ist leider unwahrscheinlich, dass es jemals wieder ein so reges und florierendes jüdisches Leben in Frankfurt geben wird wie vor 1933. Das Fehlen der alten jüdischen Gemeinde und die zurückbleibende Leere müssen Mahnmal sein für das, was in seiner alten Form unwiederbringlich zerstört wurde. Trotzdem macht das Gemeindeleben der neuen jüdischen Gemeinde Hoffnung auf eine dauerhafte Bereicherung der Stadt. So wurde das Haus 2009 renoviert. In einer Sonntagsschule lernen Kinder Russisch, jüdische Traditionen und singen, basteln und spielen gemeinsam.
Es wird versucht, die Gemeinde aufrechtzuerhalten. So steht beispielsweise jedem Besucher der Schabbat offen. Der Schabbat ist im Judentum der siebente Tag, welcher Gott gewidmet ist. Er ist ein Tag der Ruhe; es darf keinerlei Arbeit verrichtet werden. Der Schabbat beginnt am Sonnenuntergang eines jeden Freitags und endet am Sonnenuntergang des Samstags.
Die jüdische Gemeinde freut sich sehr über Besucher auch an diesem hohen Fest. Interessierte können Freitagabends miterleben, wie Juden ihren Ruhetag beginnen. Auch an anderen Tagen lohnt sich ein Besuch: Ist das Gemeindehaus offen? Dann gehen Sie doch einmal hinein! Sie finden eine Ausstellung über die jüdische Geschichte in Frankfurt bis zur Shoa sowie Informationen zur heutigen Gemeinde. Sehenswert ist auch das Modell der alten Synagoge.
|